Nächste Woche lädt Köln wieder einmal die Spielewelt zu sich nach Hause ein: Von Mittwoch bis Sonntag zelebriert die gamescom große und kleine Spiele, garniert mit Influencer-Autogrammstunden, kunterbunten Cosplay-Wettbewerben und hoffnungslos überteuertem Kantinenessen. Zehntausende werden eine der weltweit größten Spielemessen besuchen und all das begutachten, was hunderte Entwicklerteams in den vergangenen Monaten und Jahren für uns zusammengebaut haben.
Während aber in den größten Hallen und an den AAA-Ständen nur selten ein Entwickler zu sehen ist, der selbst Hand am Spiel angelegt hat, tummelt sich die Branche umso greifbarer auf den Quadratmetern der Indie Arena Booth – eine große Ausstellungsfläche, auf der weit mehr als 100 Indie-Entwickler ihre Spiele zeigen. Höchstpersönlich, mit Namenszettelchen auf der Brust und immer ein wenig hin- und hergerissen zwischen Freude und Nervosität. Nirgends kann man den Menschen, die für uns Spiele machen, so nah sein, wie hier. Und nirgends kann man so unmittelbar erfahren, wie schwer für diese Menschen ihre Arbeit sein kann, die fester Teil unserer Freizeit ist.
Eine Branche mit vielen Problemen
Na klar, Spiele zu entwickeln, ist für die meisten dieser Menschen ein wahrgewordener Traum, den viele seit ihrer Kindheit mit sich herumtrugen. Es ist ein Privileg, kreativ arbeiten und damit den eigenen Lebensunterhalt verdienen zu können – das wissen sie alle, die in den kommenden Tagen zwischen Messeständen mit Fans und Interessierten über ihre Spiele sprechen werden.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Arbeit in der Spielebranche gleichermaßen an der körperlichen wie psychischen Gesundheit zehren kann. Unsichere Arbeitsverhältnisse ist eine der größten Ursachen für dieses ungesunde Spannungsfeld: Alleine 2023 verloren schätzungsweise mehr als 10.000 Entwickler ihren Job. Und 2024 rollten bereits ebenfalls die Kündigungswellen über die gebeutelte Branche – auch in Deutschland. Die Gründe dafür liegen irgendwo zwischen Post-Corona-Ernüchterung, kriegsbedingter Investitionsscheu und der globalen Inflation verborgen. In Deutschland kommen noch unklare Förderbedingungen hinzu und zu schnell geleerte Geldtöpfe, die sichere Zukunftsplanungen für Entwicklerteams noch unsicherer machen.
Aber damit enden die Herausforderungen der Branche nicht. Hinzu kommen chronische Unterbezahlung, eine Kultur der unbezahlten Überstunden, männlich dominierte Strukturen, die immer wieder zu Belästigungsvorfällen und gefühlter Unsicherheit am Arbeitsplatz führen, schließlich auch die zunehmende Bedrohung durch KI-Technologie in der Zukunft, die ganze Arbeitsfelder wegrationalisieren könnte. Diese Probleme lassen sich nicht einfach lösen. Eines aber könnte der Branche entscheidend helfen: eine Gewerkschaft. Die gibt es aber bisher nicht.
Der Spielebranche fehlt eine starke Lobby
Zwar ist ver.di auch Ansprechpartner für die Entwickler dieses Landes. Aber eine eigene Gewerkschaft für die konkreten Bedürfnisse und Anliegen der deutschen Spielebranche gibt es noch immer nicht. Und das ist ein massives Problem. Denn so fehlt Angestellten in den kleinen und großen Studios dieses Landes eine starke Lobby, die sie durch die Schwierigkeiten und Herausforderungen begleitet, die der Branche schon so lange zusetzen.
Eine Gewerkschaft verhindert zwangsläufig keine Kündigungswellen oder Belästigung am Arbeitsplatz. Aber sie bietet eine Anlaufstelle, um Unterstützung einzuholen, sich mit anderen Kollegen auszutauschen und Anleitung dafür zu erhalten, die eigenen Arbeitnehmerrechte durchzusetzen. Warum es trotz all dieser Vorteile noch keine Gewerkschaft für Spieleentwickler dieses Landes gibt, ist ein großes Fragezeichen. Und ebenso offen ist, wann sich das ändern wird.
Bis dahin sollten wir uns daran erinnern, dass die Menschen, die für unsere Freizeitunterhaltung schuften, keine wütenden Kommentare verdienen, wenn uns wieder einmal ein Update missfällt oder ein verschobener Release-Termin ärgert. Sondern sie verdienen vielmehr unseren Respekt dafür, dass sie trotz der oft schlechten Bedingungen weiterhin jeden Tag den Rechner hochfahren und Spiele machen.
Let’s organize!
Wenn sich Menschen gewerkschaftlich organisieren möchten, muss nicht bei null angefangen werden. Transnational gibt es das Netzwerk Game Workers Coalition¹.
In Deutschland existiert bereits die Game Workers Unite (GWU), die primär eine Plattform zum Vernetzen bietet. Wie bereits im Artikel erwähnt, arbeiten die Gewerkschaftsmitglieder von ver.di an der Durchführung tatsächlicher Arbeitskämpfe. Zwischen beiden Organisationen finden punktuelle Zusammenarbeiten statt, insbesondere bei Menschen die arbeitsrechtlicher Beratung brauchen oder Betriebsratsgründungen planen².
¹ https://gameworkerscoalition.org/en/
² https://igmonline.de/story/igm-05-24-fight-your-right-arbeitnehmerinnenrechte-der-games-branche
Mein Bruder arbeitet in der Gamebranche, daher sind mir dir Probleme dort teilweise bewusst. Ich werde dieses Jahr nicht an der gamescom teilnehmen, weil die meisten dort präsentierten Spiele unfrei sind. Ich habe nichts gegen kommerzielle Spiele und überlege selbst eine Existenzgründung im Nebenerwerb zu versuchen. Unfrei hat mit kommerziell nichts zu tun, aber beides trifft of aufeinander. An den Kieler-Linuxtagen werde ich dann einen Vortrag „Crowdfunding-Entwicklung von GNU/Linux-Spielen und Hardware“ halten.
was meinst du mit unfrei